Was hat Mamas Suppentopf auf dem Rednerpult des Unternehmertreffens zu suchen?
Wenn Unternehmer präsentieren
Ich erinnere mich an ein Unternehmertreffen, das ich 2012 besuchte. Ein denkwürdiger Abend. Es gab drei Präsentationen: eine von drei Start-Up-Brüdern, eine von einem Elektrofahrzeughersteller und eine von einem Beamten aus dem Rheinland-pfälzischen Ministerium für Energie.
Der Langweiler
Dieser Letzte redete etwa eine Stunde über den Wandel in der Energieversorgung, die damit verbundenen Probleme und wie Bund und Land damit umgehen. Es begann damit, dass er das Mikrofon aus seiner Halterung nahm und zwischen Projektionswand und Pult hin- und herging. Er hatte sicher einmal gelernt, dass gute Redner sich bewegen. Dass sie dabei aber zum Publikum sprechen sollten und nicht zur Wand, auf der sich unlesbar kleinteilige Grafiken und Statistiken abwechselten, war im wohl entfallen. Ich mache es kurz: Der Vortrag war grauenhaft, die meisten Zuhörer blätterten nach einer gewissen Anstandszeit in den auf ihren Sitzplätzen ausgelegten Prospekten.
Der Stotterer
Den zweiten Vortrag hielt ein Unternehmer, der Elektrofahrzeuge herstellt. Ich hatte von dem Moment an, wo er sich erhob und aufs Rednerpult zuging, Mitleid mit ihm. Er war sich wohl bewusst, dass es für ihn eine große Chance war, sein Unternehmen in diesem Rahmen vorzustellen. Aber er gehörte unverkennbar zu den Menschen, die nicht gerne auf der Bühne stehen. Das hatte den Vorteil, dass er sich relativ kurz fasste. Er stellte seine Fahrzeuge vor und Daten und Zahlen dazu, die ich vergessen habe. Sein Stottern, die blasse, von roten Flecken durchzogene Gesichtsfarbe, das Flattern der Augenlider sind mir dagegen im Gedächtnis geblieben. Später, nachdem die Vorträge beendet waren, gingen alle hinaus, um auf dem Gelände Testfahrten zu machen oder auch nur, um sich die Fahrzeuge anzuschauen. Der gleiche Mann, der sich soeben am liebsten hinterm Rednerpult verkrochen hätte, hatte anscheinend in wenigen Minuten eine Metamorphose vom Feinsten durchgemacht. Frei, mit Begeisterung und voller – berechtigtem – Stolz zeigte er uns seine Fahrzeuge. Am liebsten hätte ich ihm sofort so ein Gefährt abgekauft. Und ich hätte ihm empfohlen, beim nächsten Vortrag mit einem dieser Teile vorzufahren vorzufahren, sich daran festzuhalten und darüber zu reden. Das Interesse für die anderen Produkte würde dann schon in einem Nebensatz geweckt.
Die Geschichtenerzähler
Die dritte Präsentation hielten drei Brüder. Einer von ihnen hatte vor wenigen Jahren als Jugendlicher im Keller seines Elternhauses an der Entwicklung des ersten elektrischen Motorrollers getüfftelt. Erfolgreich. Als es soweit war, „verhaftete“ er seine begeisterten Brüder und die drei starteten als Unternehmer durch: Entwicklung von Produktions- und Vermarktungsstrategien, Reisen nach China, enorme Anstrengungen, um Versicherungsleistungen zu erhalten und dergleichen mehr. Sie wurden nicht müde, ihren Mitarbeitern und anderen Menschen für die enorme Unterstützung, die sie überall erfuhren, zu danken. Und sie erzählten. Erzählten, wie andere kamen und sich völlig uneigennützig für ihre Sache einsetzten. Wie sie die Banken überzeugten, die bereitwillig Geld gaben und wie sie sich wieder an den elterlichen Tisch setzten und von Mama bekocht wurden, weil sie selbst jede nur verfügbare Minute in die Verwirklichung ihrer Vision steckten. Und das tun sie immer noch .
Und wir Zuhörer? Ich schätze, es ging vielen so wie mir: Ich sah den Suppentopf förmlich vor mir und hätte liebend gerne mit an diesem Tisch gesessen.