Ein Buch zu Weihnachten?

Am Freitag ein Anruf: Die betagte Mutter eines guten Bekannten möchte die Geschichten, die sie für ihre Enkelin geschrieben hat, in einem Buch sehen. Ich bitte sie, mir die Geschichten zu mailen, was sie auch tut – ein PDF kommt an. Am Sonntagmittag ruft sie erneut an. Was ich dazu sage? Ich hatte noch keine Zeit reinzuschauen. Ja, aber es soll ein Weihnachtsgeschenk werden! Ich bin sprachlos. Das hatte sie bisher noch nicht erwähnt. In 18 Tagen ist Heilig Abend.

Es rumort in mir. Mein Herz für alte Menschen siegt. Ich setze mich an den PC, recherchiere. Okay – drucken ist noch machbar. Aber lektorieren schaffe ich nicht mehr. Ich schreibe eine Mail mit Kostenbeispielen (inkl. 2 Stunden Arbeitszeit) und dazu, was ich noch brauche: Fotos und Angaben zu Einband, Druck usw.

Montag nachmittag – noch keine Reaktion. Ich rufe an. Sie hatte noch nicht wieder in ihr Mailpostfach geschaut. Lektorieren sei nicht nötig, sie hätte es schon oft genug kontrolliert. 10 Bücher mit Hardcover will sie haben.

Montag Abend, ich dirigiere am Telefon die Dame durch die nötigen Schritte, um mir die Fotos per Mail zu schicken. Sie weiß nicht, wie das geht. Wie hat sie das bloß mit dem PDF geschafft, frage ich mich im Stillen. Dann sind die Bilder da. Okay, um 21:30 Uhr fange ich mit dem Setzen und Layouten an. Immer wieder sehe ich Fehler, korrigiere. 20 Seiten sind es am Ende. Ich recherchiere bei der Online-Druckerei, was das kostet. Mist. Es müssen mindestens 36 Seiten sein für die Art Buch, wie sie es möchte. Ich setze neu, verteile Fotos großzügiger, alles möglichst ansprechend und einheitlich – 38 Seiten. Okay,  also wir müssen gemeinsam überlegen, ob noch 2 Seiten dazukommen oder 2 Seiten gestrichen werden. Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis, habe mir viel Mühe gegeben, es liebevoll zu gestalten. Das ist das Wichtigste. Schon klar, dass ich mir den Aufwand nicht bezahlen lassen kann. Das steht in keinem Verhältnis. Es bleibt bei den 2 Stunden, die ich dafür angesetzt habe. Ich gehe schlafen.

Dienstag Früh: Ich schicke das Ergebnis + Kosten an die Dame. Am Nachmittag Ihre Antwort: „So aufwendig wollte ich meine Geschichten nicht haben. Ich denke, dass ich von der Buch-Idee Abstand nehme.“ Nachdem ich meine Fassungslosigkeit überwunden habe, schreibe ich sofort zurück, mache Vorschläge für eine kostengünstigere Lösung. Noch keine Antwort. Inzwischen ist Mittwoch. Noch 15 Tage bis Weihnachten.

Am Nachmittag rufe ich an. Sie hat nicht in Ihre Mails geschaut. Ich erkläre ihr alles, frage nach, was sie denn ursprünglich ausgeben wollte. „50 Euro“ ist ihre Antwort. Und wieder fehlen mir die Worte. Außerdem erfahre ich, dass sie die Kostenbeispiele in meiner ersten Mail gar nicht gelesen hat. Sie will es sich überlegen und später nochmal anrufen.

Donnerstag. Kein Anruf bisher, dafür eine Mail von ihrem Sohn. Er will in ihrem Auftrag das Missverständnis mit mir klären. „Sie ist nicht mehr die Jüngste und manchmal etwas schusselig. Sie hat gedacht, Du bist eine Druckerei.“ Er bittet aber, die Sache bis kommenden Dienstag ruhen zu lassen, weil er gerade im Stress sei. Ich schreibe zurück, bitte um eine kurzes Gespräch noch heute. Habe inzwischen schon innerlich beschlossen, einfach ein Buch drucken zu lassen und die Sache unter der Rubrik „Karma-Pluspunkte sammeln““ abzuhaken.